Von Oliver Simons, Juni 2006 (freiburg-postkolonial.de); gekürzt von Jonas Linnebank.
Die Heinrich-von-Stephan-Straße trägt einen Namen mit besonderer Bedeutung. Der Generalpostmeister Stephan (1831-1897) kannte sich bestens aus in Ortsbestimmungen, seine Dienstzeit war wegweisend für die Geschicke des Deutschen Reiches. Unter seiner Federführung formierte sich die Deutsche Post, er vereinheitlichte das Briefporto, führte die Postkarte als neues Medium ein und drängte auf internationale Abkommen im Weltpostverein. Doch Stephan schrieb auch Kolonialgeschichte.
1859 schreibt Heinrich von Stephan eine monumentale Geschichte der preußischen Post, mit besonderem Augenmerk auf den umständlichen Nachrichtenwegen. Da nur Preußen über eine staatliche Post verfügte, die übrigen deutschen Nachbarländer aber meist von privaten Diensten verwaltet wurden, ließen aufwendige Zollbestimmungen den Austausch von Nachrichten ein mitunter langwieriges Unterfangen werden. Wie sich an diesen Nachrichtenwegen zeigte, war das Netzwerk der deutschen Staaten noch keineswegs eine Einheit. Im Deutschen Krieg besetzte Preußen mit einem klugen Schachzug die verschiedenen Postzentralen, bemächtigte sich der Verwaltung und nahm sämtliche Bedienstete in seine Befehlsgewalt. Auch mit Hilfe der Post also wurde der Siegeszug über die Staaten des Deutschen Bundes gesichert.
Beim Abkommen zur Gründung des Internationalen Postvereins 1874 zwischen dem mittlerweile gegründeten Deutschen Reich, Frankreich und seinen Kolonien, dem Common Wealth Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, aber auch Grönland, Persien und Ägypten war Heinrich von Stephan federführend. Ein Postbeamter machte Außenpolitik, denn das umfangreiche Netzwerk zwischen den Staaten würde garantieren, dass die Botschaften eines jeden Landes auf kürzestem Wege und auch unter Nutzung der Infrastruktur der Postpartner rasch verschickt werden konnten. Die raumgreifenden Maßnahmen Heinrich von Stephans wurden nun als Weltpost deklariert. Die Post gründete einen neuen Raum, der sich schier um den ganzen Globus spannte, und sorgte zugleich dafür, dass die Entfernungen der Briefe nicht mehr ins Gewicht fielen. Das Porto wurde vereinheitlicht wie schon auf den Feldpostkarten im Krieg gegen Frankreich 1870/71. Statt Soldaten schrieben nun Kolonialbeamte, Händler und Missionare in die Heimat, der Effekt aber blieb derselbe: Je reibungsloser der Austausch mit den Kolonien, umso dichter schienen diese Territorien ans Deutsche Reich zu grenzen, umso beruhigter schließlich die Daheimgebliebenen.
Das Deutsche Reich sollte endlich auf Reisen gehen, schließlich erreichten die zugelassenen Briefmarken nun jeden beliebigen Punkt im Gebiet des Weltpostvereins. Der Postdampfer wurde folglich zu einer Art Kollektivsymbol für die aufbrechende Nation. Heinrich von Stephan plädierte 1890 im Reichstag für nationale Subventionen der Ost-Afrika-Linie, denn der Mangel an „Verkehrsanstalten“ sei schließlich auch ein Grund dafür, wenn „keine Nachrichten über Dr. [Carl] Peters“ (dem Begründer Deutsch-Ostafrikas) kommen. Und wie sonst war die Niederschlagung „rebellischer Häuptlinge“ zu gewährleisten, wenn nicht mit deutschen Dampferverbindungen?
Ein Postbeamter macht Kolonialpolitik
Stephan forderte nicht nur die nationale Unterstützung der Dampferlinien, die Dampfer sollten überdies zukünftig auch nicht mehr wie bisher üblich in englischen Werften gefertigt werden, sondern allein von der deutschen Industrie. 1890 gründete ein Konsortium von Reedern die deutsche Ost-Afrika-Linie und stellte eine Flotte zusammen, die alljährlich um neue Dampfer erweitert wurde. Mit Schiffsnamen wie König, Herzog, Kaiser, Reichstag, General, Safari und Peters und der Reichspost beflaggt, waren diese Dampfer gleichsam die ersten Botschaften, die nach den Kolonien ausgesandt wurden. Der Postdampfer wurde nun zum Leitmotiv des deutschen Kolonialismus: Nachdem die Dampferlinien staatlich subventioniert wurden, gab es schon bald die ersten Postkarten mit Dampfermotiven.