Botanischer Garten/Flora

Flora und Botanischer Garten sind nicht identisch. 1862 wurde der Botanische Garten und 1864 die Flora eröffnet. Weiterlesen…

In-Haus Radio · Botanischer Garten – Flora – Koloniales Erbe In Köln

Für die meisten Menschen in Köln heute sind Flora und Botanischer Garten identisch. Das ist aber historisch nicht der Fall. 1862 wurde von einflussreichen Kölner Bürgern das „Comitee zum Bau eines Botanischen Zier- und Lustgartens“ gegründet und das neben dem Zoo liegende Grundstück mit einer Fläche von 5,6 Hektar für die geplante Anlage gekauft. 1864 wurde die Flora eröffnet.

Im Mittelpunkt der Anlage stand der sogenannte Glaspalast, der sich u.a. am Londoner Crystal Palace orientierte. Das Gebäude diente als Palmenhaus, wurde aber auch für festliche Bälle und andere Unterhaltungsveranstaltungen genutzt. Im Zentrum der Flora stand von Anfang an die „Tropenbotanik“, die wenig später – als „koloniale Botanik“ – eine bedeutende Rolle spielte. Wenngleich die Flora primär als ein Ort der Unterhaltung und Entspannung für die Kölner Bürger*innen präsentiert wurde, waren (koloniale) Wissensproduktion und koloniale Propaganda wichtige Bestandteile. Die Pflanzen wurden zu Instrumenten kolonialer und kolonialrevisionistischer Aneignungsphantasien.

Die erste große, publikumswirksame Veranstaltung in der Flora, bei der die koloniale Botanik prominent präsentiert wurde, war die „Internationale Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung“, die vom 4. August bis zum 1. Oktober 1888 stattfand. Die Deutsche Kolonialzeitung (DKZ), das Presseorgan der Deutschen Kolonialgesellschaft, warb in einer Ankündigung der Ausstellung für die „hervorragenden Kolonialsammlungen“, die in einer „Halle für Colonialprodukte“ gezeigt wurden. Eine umfassende Präsentation der Vielfalt an pflanzlichen Produkten aus Übersee war ein wichtiges kolonial-propagandistisches Mittel, den Kölner Bürger*innen den Sinn und Nutzen des kolonialen Projekts des Deutschen Reichs „zu verkaufen“.

Dass die meisten der ausgestellten pflanzlichen Rohstoffe 1888 aus eigenen Kolonien kamen, zeugte nicht zuletzt von der machtvollen Position, in der man sich als Kolonialmacht sah. Und diese machtvolle Position machte es möglich, die pflanzlichen Rohstoffe und Produkte einzubetten in Präsentationen von Ethnographika, wie Waffen und Schmuck. Wenn die Besucher*innen sich ausruhen wollten, konnten sie sich in exotisierenden oder orientalisierenden Etablissements wie dem „Türkischen“ Pavillon oder dem „chinesischen“ Café bewirten lassen.

Ab 1912 wurde auf dem Gelände neben der Flora ein neuer Botanischer Garten angelegt, der 1914 eröffnet wurde. Von Beginn an wurde die Kolonialpflanzensammlung im Garten systematisch erweitert und verschiedene „Warmhäuser“ für tropische Pflanzen, darunter insbesondere für „koloniale Nutzpflanzen“ wie Kaffee, Kakao, Baumwolle, Kapok, Sisal, Reis, Maniok und Bataten wurden errichtet. Auch in der Freilandabteilung wurden „subtropische Kolonialpflanzen“ angebaut.

Nach dem Ende des realen Kolonialbesitzes war die Botanik in Köln Teil des kolonialrevisionistischen Engagements für die Rückgewinnung. Eines der letzten Großereignisse, bei dem die koloniale Pflanzenwelt und ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand des Landes einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde, war Deutsche Kolonialausstellung 1934 in der Kölner  Messe. Um den Besucher*innen den Zusammenhang von preiswerten pflanzlichen Rohstoffen aus eigenen Kolonien und dem persönlichen Haushalt zu verdeutlichen und ihnen gleichzeitig das Gefühl einer Reise in die Überseegebiete zumindest andeutungsweise zu vermitteln, hatte man „lebende Vegetationsbilder“ mit Leihgaben aus dem Botanischen Garten geschaffen und sogar auf den Freiflächen vor dem Staatenhaus eine echte Baumwollkultur angelegt. Hier wurde öffentlichkeitswirksam, unterhaltsam und Sehnsüchte weckend mit pflanzlichen Produkten koloniale Propaganda betrieben.

Was ist aus der kolonialen Botanik geworden?
Es lohnt sich ein Blick auf die Homepage der Kölner Flora. Dort  sind vor einiger Zeit die Warmhäuser oder Gewächshäuser, die in der kolonialen Botanik eine so große Rolle spielten, wegen des schlechten Zustands geschlossen worden. Sie werden gerade erneuert. Auf der Flora-Seite finden sich die Planungen für den Neubau mit Begriffen wie „Exotische Weltreise“, „Entdeckerweg“, „Plantagen“ und nicht zuletzt „Tropische Nutzpflanzen“: beschrieben. Lebt hier der koloniale Diskurs unreflektiert und romantisierend weiter? Das sind Begrifflichkeiten, die wir genauso schon vor über 100 Jahren lesen konnten und hinter denen sich die Zerstörung gewachsener Wirtschaften in Übersee und die gnadenlose Ausbeutung der angeeigneten Gebiete verbargen. Ist also aus der kolonialen Botanik eine neo-koloniale geworden?

Von Marianne Bechhaus-Gerst

Marianne Bechhaus-Gerst ist Afrikanistik, Historikerin und Kulturwissenschaftlerin. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit der deutschen Kolonialvergangenheit, insbesondere mit der Kolonialvergangenheit Kölns und der Geschichte Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland und mit der afrikanisch-deutschen Begegnungsgeschichte. Sie ist die Initiatorin von Köln Postkolonial und hat gemeinsam mit den Studierenden eine Ausstellung zum Thema Köln und Kolonialismus im Kölnischen Stadtmuseum erarbeitet.